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Antwort auf das Posting von User A. Irmak:
„Diese Behauptung habe ich kürzlich gelesen – eine Zentralbank könne nie Pleite gehen, da sie Forderungen gegen sie immer mit frischem Geld begleichen könne.“
 
Prof. Dr. Dr. Gunnar Heinsohn, Bremen am 10.09.2013:

Bankrott ist eine Zentralbank, wenn sie die von ihr emittierten Geldnoten (Passiva) mit ihren Aktiva (vor allem Pfänder ihrer Geschäftsbankschuldner, Edelmetalle und Reserven) nicht aus dem Umlauf zurückkaufen kann und ihr Eigenkapital geringer ist als das Volumen der weiterhin umlaufenden Noten. Diese bleiben ja Forderungen gegen ihr Eigentum, das sie nun verbraucht hat. Stattdessen hat sie jetzt, wie es harmlos gerne heißt, „negatives Eigenkapital“.
Vor allem das Akzeptieren von Staatsschulden als Pfand zum Nennwert statt zum Marktpreis (Kurs) ruiniert Zentralbanken. Sie versuchen deshalb, ein Staatspapier im Nennwert von – sagen wir – 10.000, das am Markt nur 3.000 bringt, durch Eigenankauf wieder gegen 10.000 zu treiben. Das soll die Bilanz im Lot halten. Gelingt das nicht, muss die Zentralbank mit frischem Eigenkapital versehen werden. Wir sagen deshalb heute, dass eine Zentralbank zwar rechnerisch bankrott sein, aber trotzdem weiter operieren kann, weil alle darauf rechnen, dass die zuständige Regierung sie wieder mit Eigenkapital ausstattet, wenn sie auch im nächsten oder übernächsten Jahr die Gewinne nicht einfährt, mit denen sie ihr Eigenkapital wieder ins Schwarze bringen kann. Sie behält ihre „lender of last resort“-Position, weil hinter ihr ein Eigentumsspender letzter Hand steht.
Doch es gibt dabei zwischen den beiden Multizentralbankwährungen Dollar und Euro gewichtige Unterschiede. In beiden Systemen besteht das Eigenkapital der Zentralbanken und die Pfänder der Geschäftsbanken ganz überwiegend aus Staatspapieren. Der amerikanische Dollar wird in allen zwölf Zentralbanken zwischen New York und San Francisco mit US-Staatspapieren im Eigenkapital der zwölf Häuser besichert und an Geschäftsbanken gegen von diesen verpfändete US-Staatspapiere ausgeliehen. An allen zwölf Stellen kommen dieselben Staatspapiere zum Zuge, die alle auch denselben Kurs haben, also dasselbe kosten. Ist ein 10.000-$-US-Papier sehr begehrt und erzielt auf dem Markt sogar 12.000 $, dann kosten alle 10.000-$-Papiere von der Ost- bis zur Westküste – und auf der ganzen Welt –  12.000 $. Die Besicherung der Dollarnoten hat sich verbessert. Mit den Pfändern könnten die Zentralbanken nämlich mehr Dollar aus dem Umlauf kaufen, als sie ausgeliehen haben.
Traut man eines Tages den $-Papieren nicht mehr, weil ihr Volumen 2013 bei womöglich nicht mehr bedienbaren 20,5 Billionen steht (Bund, Staaten, Städte), so dass sie unter den Nennwert auf – sagen wir – 9.000 $ Marktpreis fallen, dann fallen sie überall gleich tief und entsprechend sind auch überall die Kredite auf einmal unterbesichert. Denn die Zentralbanken haben 10.000 ausgeliehen, sitzen aber jetzt auf einem Pfand von nur noch 9.000 $. Geht eine Geschäftsbank bankrott, kann die Zentralbank von den 10.000 an sie geliehenen Dollar durch Verkauf des Pfandes nur 9.000 $ wieder hereinholen. Sie macht also 1.000 $ Verlust und den muss sie aus dem Eigenkapital glattstellen. Da auch die dort liegenden Papiere von 10.000 auf 9.000 gefallen sind, haben sich die zwölf Zentralbanken ein wenig Richtung Bankrott bewegt.
Der Dollar ist ungeachtet seiner vielen Zentralbanken aber eine echte Einheitswährung. Im Euroraum ist das ganz anders. Denn es gibt keinen Euro. Es gibt siebzehn unterschiedliche Währungen, die von Lissabon bis Dublin und von Athen bis Helsinki zwar Euro heißen, aber mit siebzehn qualitativ unterschiedlichen Staatspapieren besichert sind und auch gegen siebzehn nennwertgleiche, aber preislich unterschiedliche Pfänder der Geschäftsbanken in Umlauf gebracht werden. Auf einem 10.000er Luxemburgpapier steht 10.000 Euro und auf einem 10.000er Griechenpapier steht 10.000 Euro. Aber ihre freien Verkaufspreise trennen Welten – sagen wir 3.000 und 13.000 Euro. Das liegt daran, dass die eine Regierung mit ihrer Enteignungsmacht über Bürger, also mit dem Steuerrecht Abgaben für die Verzinsung und Tilgung der Staatsschulden spielend aufbringen kann, während die andere Regierung nur 30 Prozent ihrer Schulden bedienen kann.
Wer heute mit Euro bezahlt, erkennt die Münzen an ihren nationalen Kennzeichen sofort. Für die Scheine jedoch braucht er eine Lupe, um den einschlägigen Zentralbankbuchstaben zu finden. Doch auch die Noten sollten ursprünglich national gekennzeichnet werden. Südländer haben dagegen mit Erfolg protestiert, weil in Frankfurt alsbald ein italienischer Euro nur für 70 deutsche Eurocent hereingenommen worden wäre und ein holländischer Euro vielleicht 1,10 deutsche Euro gekostet hätte. Diese Ab- oder Aufschläge hätten den nennwertgleichen, aber unterschiedlichen Preisen der besichernden nationalen Staatspapiere Rechnung getragen. Man hat deshalb versucht, die siebzehn Herkünfte des Euro auf den Scheinen unsichtbar zu machen und gesetzlich erzwungen, dass jeder Euro zu den anderen sechzehn 1:1 angenommen werden muss.
Schwankende Geldpreise (Wechselkurse) hat man so ausschalten können, aber die Preise der Staatspapiere, die allein für den Wert der papierenen Geldscheine sorgen, schwanken bis heute frei. Bares bekommt seine Fähigkeit zum Eigentumserwerb ja nicht vom Papier, auf dem es gedruckt wird, sondern vom Eigentum, gegen das es emittiert wird.
Nun kann man die Menschen zwingen, einen Griecheneuro auch in München für hundert deutsche Euro-Cent anzunehmen. Man kann aber keinen Finnen zwingen, für ein griechisches Staatspapier über 10.000 griechische Euro in Helsinki 10.000 finnische Euro zu bezahlen. Diese Papiere müssen freiwillige Käufer finden. Kurzum, für sie gibt es Märkte. Und die Staatsschuldmärkte rufen unbarmherzig immer von neuem in Erinnerung, dass es siebzehn Euros und keine Einheitswährung gibt. 10.000 griechische Euro sind mit einem griechischen Schuldpapier über 10.000 Euro besichert und/oder bepfändet, das auf dem freien Markt aber nur 3.000 bringen würde. 10.000 deutsche Euro sind mit einem deutschen Papier über 10.000 Euro besichert und/oder bepfändet, das auf dem Markt sogar 12.000 oder mehr Euro bringt. Hat eine deutsche Geschäftsbank ein deutsches 10.000-Euro-Papier als Pfand hinterlegt und kann dann ihre Schuld von 10.000 Euro bei der Zentralbank nicht tilgen, dann verkauft diese das Pfand und steht nicht nur wieder glatt, sondern hat sogar 2.000 gewonnen. Die griechische Zentralbank hingegen erzielt bei Ausfall ihres Geschäftsbankpartners mit seinem Pfand europaweit aber nur 3.000 Euro und bleibt auf 7.000 Euro Verlust sitzen. Dasselbe passiert allen anderen, die griechische Papiere noch für 10.000 bilanziert haben.
Sämtliche Rettungsmaßnahmen – vom griechischen Schuldenerlass über ESM bis hin zum direkten Ankauf von Staatsschuldpapieren durch die Zentralbanken im Eurosystem – haben also immer nur ein Ziel: Es darf keinen freien Markt für sämtliche europäische Staatspapiere geben! Andernfalls setzt eine gewaltige Deflation ein. Immer soll jemand da sein, der selbst für 10.000 Euro-Papiere aus Athen, Rom oder Madrid auch nahe 10.000 Euro zahlt – oder in Höhe von 10.000 Euro haftet. Die wichtigsten Eurorettungsinstrumente sollen also durch Haftung der vermeintlich Starken dafür sorgen, dass Regierungen Eigenkapital-Spender letzter Hand bleiben können. Eine griechische Zentralbank, die ausgelöscht wird, weil ihre 10.000er Euro-Positionen auf 3.000 gestürzt sind, kann ja nicht mit einem 10.000er griechischen Staatspapier saniert werden, das gleich wieder auf 3.000 Euro stürzt. Hier sollen Schuldenerlasse, Querhaftungen und Aufkäufe über Marktpreis durch die EZB durch Stützung der praktisch bankrotten nationalen Zentralbanken das Gesamt-Desaster auf den Sanktnimmerleinstag verschieben.
Sobald nämlich das Manipulieren der Märkte aufhört, fallen Papiere über hunderte Milliarden, die jetzt zum Nennwert in den Eigenkapitalen bilanziert werden, auf die Hälfte oder weniger. Dasselbe passiert den Billionen Euro von Staatspapieren, die als „sicheres“ Investment von Lebensversicherungen und zahllosen Anderen gehalten werden. Was die im Investment verlieren, können sie mit gleichzeitig im Eigenkapital Verlorenem ja nicht mehr glattstellen. Allfällige Bankrotte von Südschiene-Zentralbanken werden deshalb mit immer neuen Konstruktionen hinausgezögert. Das sehen wir aber nicht nur mit Sorge, sondern auch mit einem gehörigen Schuss Kumpanei. Wer möchte schon, dass die grosse Deflation mit anschliessender Eigenkapitallöschung zu seinen Lebzeiten passiert?