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Prof. Dr. Dr. Gunnar Heinsohn, Bremen am 04.01.2014:
2013 erreicht China trotz höherer Löhne sowie einer 16-prozentigen Yuan-Verteuerung gegenüber dem Dollar (2008 – 2013) über 20% der globalen Hightech-Exporte, obwohl nur 11% aller Exporte auf das Reich der Mitte entfallen (Kuijs; Royal Bank of Scotland). Doch 82% der ambitionierten Güter werden von Töchtern westlicher und ostasiatischer Firmen oder in Partnerschaft mit ihnen erbracht (Xing, „The People’s Republic of China’s High-Tech Exports: Myth and Reality“, Asian Development Bank Institute, Report 357, April 2102).
Das wird außerhalb des Landes mit einer gewissen Erleichterung als Schwäche gedeutet, daheim aber als Herausforderung angenommen, die man schon bestehen werde. Immerhin vertrauen die fremden Hightech-Firmen auf Chinas Qualifikationen und tätigen ihre anspruchsvollen Investitionen nicht etwa auf den Philippinen, wo man durch das lateinische Alphabet sowie westliche Sprachen enorme Vorteile haben sollte. Und doch entfallen schon vor einem halben Jahrzehnt 44% aller ausländischen Investitionen für das Erstellen gänzlich neuer Produkte auf China (Lewin, Massini, Peters, „Why are Companies Offshoring Innovation? The Emerging Global Race for Talent“, Journal of International Business Studies, 2009, Nr. 6).
Während die einen Chinas Potenziale noch als Mythos abtun, steigert das Land seit 1995 den Anteil mittel- und hochtechnologischer Waren an seinen Exporten von 40 auf gut 60% (ca. 100 auf über 500 Milliarden Dollar). Man hängt zwar noch zurück beim Erfinden, aber man hat die Köpfe für das Begreifen und Umsetzen von Blaupausen. „Wer kopiert, kapiert“ (Helmut Diez) und kann dabei gleich Verbesserungen einbringen. Nachmachen können nur Könner. Dass man die vorerst hat, zeigt die – immer noch relativ arme – Metropole Shanghai, als sie 2009 und von Neuem 2012 gegen rund sechzig Länder die PISA-Konkurrenz für Mathematik sowie das Formulieren und Interpretieren muttersprachlicher Texte gewinnt. Mit 2 Millionen Absolventen pro Jahr in Natur- und Ingenieurwissenschaften liegt die Gesamtnation weltweit auf Platz 1 (de Jonquières; CNN, 24-20-2013). Dabei bremst sie noch das Handicap, dass unter Mao von 1966 – 1969 die Schulen geschlossen sind, die Eltern der heutigen Kinder zum Nachteil ihres Nachwuchses also jahrelang nicht lernen dürfen. Viele schicken ihn nach Amerika, wo die Zahl chinesischer Studenten zwischen 2002 und 2012 von 65.000 auf 236.000 springt (ohne die Jugend der knapp 4 Millionen US-Chinesen). Wenn die dort bleiben und für amerikanische Innovationen sorgen, könnte die Aufholjagd scheitern.
Aber zeigt sich der Verlust von Chinas Konkurrenzfähigkeit nicht schon heute daran, dass es bei der Erzeugung von Textilien, Bekleidung und Lederwaren nachlässt und Kapazitäten nach Vietnam oder Indonesien verliert? Das ist richtig. Doch ein großer Teil der global gehandelten Waren dient dem Erhalt der Konkurrenz- und Kommunikationsfähigkeit von Unternehmen und Arbeitskräften, muss also auch dann gekauft werden, wenn man es eigentlich gerne billiger hätte. T-Shirts und Sneakers sind keine solchen Waren. Ihre Märkte gewinnt man in der Tat durch Preisunterbietung. Vor allem bei den anspruchsvollen und zugleich unverzichtbaren Dingen kann man Preise setzen. Nach dieser Stärke etwa von Erzeugern deutscher Maschinensysteme strebt Peking.
Was oberflächlich als Nachlassen Chinas erscheint, ist in Wirklichkeit Teil seiner aktiven Industriepolitik TengLong HuanNiao. Den Käfig saubermachen und einen anderen Vogel hineinsetzen, kann man das übersetzen. Seriös heißt es Fünfzehnjahresplan (2006 – 2020) für Medium and Long-term National Plan for Science and Technology Development. Dazu kommen 2 Billionen Dollar über fünf Jahre für die Strategic Emerging Industries Initiative (2011 – 2015). Man folgt mit dieser Politik der japanischen Linie der 1980er/90er Jahre mit dem berühmten MITI (Ministry of International Trade and Industry). Staatliche Unbarmherzigkeit gegen absinkende Branchen bei Förderung zukunftsträchtiger Ideen lautet auch hier die Parole. Durch das Absterben von Chinas Schuhproduktion will man die entlassenen, zugleich aber knapp bleibenden Arbeitskräfte über Umschulung in neue Geschäftsfelder treiben.
Diese Transformation verläuft nicht ohne Irrwege, scheint aber voranzukommen: Allein in den zwei Jahren bis März 2013 liefert China für 130 Mrd. Dollar Elektronik, Optik, Medizintechnik und Autokomponenten in die USA (plus 24%), aber nur für 50 Mrd. Dollar Kleidung und Schuhe (plus 5%; Wall Street Journal, 24-03-2013). 1978, zu Beginn der Eigentumsschaffung in China, meldet das Land beim United States Patent and Trademark Office (USPTO) gerade mal 6 Patente an, 2012 sind es 13.273 (D: 9.303; aktuell in 2012: 29.195; http://www.uspto.gov/web/offices/ac/ido/oeip/taf/appl_yr.htm).
Bloomberg-Business Week beschreibt in der Neujahrsnummer 2014, wie Knowles Electronics (Itasca/Illinois) als Weltmarktführer für Kleinstmikrophone seine China-Position verteidigen will. Die einfacheren Prozeduren aus einer Fabrik in Suzhou (bei Schanghai) werden auf die Philippinen verlagert, weil es für sie in China keinerlei Schutz oder gar Subventionen geben wird. Dagegen werden komplexere Prozesse aus Norwich (England) nach Suzhou verlagert. Warum wandern die englischen Anlagen nicht ebenfalls gleich auf die Philippinen, wo man nicht einmal halb so viel verdient wie in China? Weil die Chinesen leicht umschulbar sind und allein das volle Ausloten hoher Kompetenz, nicht aber niedriger Lohn, den Weg nach vorne weist.
Käfig saubermachen und anderen Vogel hineinsetzen!Fredmund Malik2014-01-06T12:26:05+01:00