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Prof. Dr. Dr. Gunnar Heinsohn, Bremen am 18.02.2015:

 
Für 1000 Euro kann man überall im Euroraum einkaufen, also vom Händler einfordern, was der mit 1000 Euro ausgepreist hat. Aber alle neunzehn unterschiedlichen Staatspapiere im Nennwert von 1000 Euro, die bei den neunzehn Euro-Emissionsbanken im Eigenkapital stehen und die bei ihnen von den Geschäftsbanken als Pfand für frische Euro eingereicht werden, haben nirgendwo denselben Preis von 1000 Euro. Der eine Verkäufer gibt sie – wie während der ersten Griechenlandkrise im Mai 2010 – nur für 1200 Euro her (D-Papiere), der andere verschleudert sie für 300 Euro (GR-Papiere). Das liegt daran, dass diejenigen nationalen 1000 Euro-Papiere, die aufgrund der Überschuldung der zuständigen Regierungen als nicht sicher bedienbar gelten, unter permanentem Deflationsdruck stehen.
Wenn nun in einem Land Zentralbanknoten über 1000 Euro gegen ein 1000 Euro-Staatspapier zum Marktpreis von 300 Euro emittiert werden, im nächsten jedoch Zentralbanknoten über 1000 Euro gegen ein 1000 Euro-Staatspapier zum Marktpreis von 1200 Euro in Umlauf gebracht werden, müssten sich die unterschiedlichen Besicherungsqualitäten des Geldes auch in unterschiedlichen Preisen (Wechselkursen) des Geldes ausdrücken. Eben das aber wurde im Euro-Raum von vornherein gesetzlich untersagt. Fast alle – außer Heinsohn/Steiger – haben damals gehofft, dass niemand die Besicherungen von Euro mit Champagner hier, aber mit Leitungswasser dort herausschmecken, die Währung also immer Champagneraroma verbreiten werde.
Seit der Maikrise 2010 wird das Problem zwar nicht verstanden, aber immerhin am Symptom kuriert. Das geschieht durch Bereitstellung von Fonds mit Staatspapieren (Champagner) der besseren Schuldenbediener (mit reicheren, meist aber nur gehorsameren Steuerzahlern), aus denen die unter Deflationsdruck stehenden Staatspapiere (Leitungswasser) durch Ankäufe, Garantien, Firstverlängerungen etc. wieder nahe an den 1000 Euro-Nennwert herangetrieben werden. In dieser Drehung der Deflation von Staatspapieren Richtung Inflation besteht der Sinn all der Euro-Rettungspakete, deren Namen man ohnehin besser über Google ermittelt als auswendig lernt.
Verschwindet Griechenland aus dem Euro-Raum, fällt eine Leitungswasserquelle weg. Das könnte dazu führen, dass der Euro wieder eher wie Champagner mundet. Der Grexit könnte aber auch bewirken, dass sich mehr Misstrauen gegen die im Euro bleibenden großen Südländer aufbaut, weil es bei deren Wasserzufuhr nicht mehr um einen irgendwie geschmacksneutral zu haltenden Tröpfler geht, sondern um Unterspülungen des Euro durch reißende Flüsse. Die deflationierenden Staatspapiere von 60-Millionen-Völkern können aus den bisherigen Volumina der Rettungstöpfer nicht mehr hochgekauft werden. Dann steht eine Krise an, aus denen die Regierungen mit noch bedienbaren Staatspapieren fliehen müssen, um die eigene Wirtschaft weiter mit einer Währung versorgen zu können, die für den Ankauf der fürs ökonomische Überleben notwendigen Zulieferungen wirklich gut genug ist.
Würden die Nordländer dagegen plötzlich mehrfach größere Töpfe befüllen müssen, ginge auch ihre Kreditwürdigkeit verloren. Mit ihren dann ebenfalls deflationierenden Staatspapieren könnten Schrottpapiere nicht mehr nach oben gedrückt werden.  Eben deshalb wollen die meisten Beteiligten lieber heute noch einmal die Griechenpapiere hochpreisen, damit sie nicht morgen vor der unlösbaren Aufgabe stünden, Frankreich-Wasser auf Champagner-Niveau zu hieven.
 
Prof. Dr. Heinsohns Artikel ist am 24. Februar 2015 auch auf Die Welt Online erschienen: Zum Artikel