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Prof. Dr. Dr. Gunnar Heinsohn, Bremen am 20.10.2014, zum Artikel „Der Kapitalismus auf dem Weg in den Sozialismus„, Handelsblatt, 18.10.2014:
 
Meyer: In unserem Papiergeldsystem vergeben die Banken Kredite, die durch nichts gedeckt sind. Sie schreiben dem Kreditnehmer die Kreditsumme auf dessen Konto gut und schöpfen so mit einem Federstrich Geld aus dem Nichts. […] Aktivgeld ist Geld, das im Gegensatz zum Kreditgeld nicht durch ein Schuldverhältnis zustande kommt, sondern auf einem Aktivum beruht. Dieses wird auf der Aktivseite der Bilanz des Geldemittenten verbucht. Ein Beispiel ist Warengeld wie Gold oder Silber. Beide Edelmetalle waren Handelswaren und wurden im Laufe der Zeit durch gesellschaftliche Konvention zu allgemein akzeptierten Tauschmitteln, bevor sie durch das staatliche Papiergeld abgelöst wurden.
Heinsohn: Kredite werden an Schuldner vergeben, die mit ihrer Bereitschaft/Fähigkeit, in der Höhe der Summe aus Schuld und Zins die Eigentumsseite ihres Vermögens zu verpfänden, der Geldschöpfung die entscheidende Grenze setzen. Die Eigentumsseite des Vermögens ist – im Gegensatz zu seiner Besitzseite – zwar immateriell, aber keineswegs ein Nichts. Geld wird als Anspruch gegen diese immaterielle Eigentumsseite des Vermögens geschaffen, hat also nichts mit einem Tauschgut zu tun.
Eine Goldstandard-Währung hat als ein mit Goldeigentum besichertes Geld (1.) den Nachteil, alle anderen Eigentumsvarianten von der Geldbesicherung auszuschließen und kann (2.) nur dann funktionieren, wenn die Emissionsbanken den Preis des Edelmetallvermögens durch An- und Verkäufe pflegen, damit seine Schwankungen das zirkulierende Geld nicht in Unter- oder Überbesicherung bringen.
Meyer: Es begünstigt diejenigen, die das aus dem Nichts geschöpfte Geld als Erste erhalten und leistet so einer ungerechten Verteilung von Einkommen und Vermögen Vorschub.
Heinsohn: Weil nach einer Krise die Vermögenspreise fallen und sich dadurch das Verpfändungsvolumen der Schuldner für frische Kredite sowie das Bedienen von Altkrediten verringert, sinnen Regierungen und Zentralbanken nach unkonventionellen Wegen für das Einbringen von Geld in die Zirkulation, um das Reissen weiterer Kreditketten zu verhindern. Würden dabei statt der Firmen und Bürger Regierungen als Schuldner auftreten und für diese Kredite vollstreckbares Pfandeigentum oder sichere Steuereinnahmen bereitstellen, wäre dagegen wenig einzuwenden. Die vor allem seit Ende des 20. Jhs. gepflegten Zentralbanktechniken (1.) der Zinsnullung, (2.) des Ankaufs von gerade nicht mehr aus Steuern sicher bedienbaren Staatsanleihen und von (3.) ungenügend mit Pfand unterlegten Hypotheken versuchen in der Tat eine Entgrenzung der Geldschöpfung. Das „Nichts“ besteht dabei im Verzicht auf Haftung durch Eigentum. Dieses Aussetzen der Zentralbankregeln ist aber nicht mit der Einführung von physischen Tauschgütern zu begegnen. Sie muss über die Rückbindung der Währungsemission an preisstabiles Eigentum im Eigenkapital der Geldschaffer und im Pfandvolumen der Schuldner erfolgen.
Eine solche Heilung – statt Abschaffung des Geldsystems – wird aber schwierig, weil mit dem – unter Umgehung der Eigentumsgrenze – neu geschaffenen Geld auch zahllose neue Kreditketten aufgebaut wurden, die bei plötzlicher Trockenlegung (Liquiditätsentzug) reissen müssten. Das aber würde die Hyperdeflation, die man doch nach hinten verschieben will, nach vorne ziehen.