Was kann der Mensch leisten? Wo sind seine Grenzen? Bis heute ist die Frage unbeantwortet, und vielleicht werden wir es nie wissen.

Die Geschichte ist aber der Beweis dafür, dass viele Menschen viel mehr leisten können,  als man vermuten konnte. Für die meisten Menschen sind die Grenzen dort, wo man sie vorschnell und oft nur zu gerne für sich gelten lässt.

Allerdings macht es die Art, wie Menschen erzogen, geformt und gebildet werden, schwer, nach dieser Einsicht zu leben. Zum Teil wurden und werden den Menschen absichtlich künstliche Grenzen gesetzt – im Interesse der Erhaltung des jeweiligen Status quo, von Macht- und Besitzverhältnissen. Zu einem anderen Teil resultieren Grenzen aus falscher Leistungsfeindlichkeit und aus verfehlter Gleichmacherei. Dass Menschen trotzdem und gegen alle Hindernisse immer wieder Grenzen überschritten haben, darf umso optimistischer für ihr Leistungsvermögen stimmen.

Gerade in jenem Bereich, dem historisch eine Pionierfunktion für Leistung und Leistungsorientierung zufiel – der Wirtschaft –, werden heute eher Grenzen errichtet als eingerissen. Man tut das nicht mit Absicht, sondern eher, weil ein paar Grundwahrheiten der Entwicklung von Menschen nicht mehr gegenwärtig sind. Sie wurden von einem modischen, nur scheinbaren Humanismus in der Aus- und Weiterbildung verdrängt.

Künstliche und ganz unnötige Grenzen folgen zum Beispiel aus irreführenden Motivationslehren. Grenzen werden auch gesetzt durch verbreitete Formen der Persönlichkeitsentwicklung, die fast immer genau am falschen Punkt ansetzen, nämlich an der Beseitigung von Schwächen.

Eine erste Verdeutlichung ist das Beispiel der Motivationslehre und was aus ihr in der Managementaus- und -weiterbildung gemacht wird. Es ist zur allgemeinen, kaum noch hinterfragten Gewissheit geworden, dass Menschen nur dann arbeiten und leisten, wenn sie motiviert sind. Der nächste Schritt ist nur folgerichtig: Es entsteht bei vielen Menschen ein Anspruch darauf, motiviert zu werden. Solange dieser nicht erfüllt ist, leistet man nicht. Sinngemäss: »Heute bin ich gar nicht gut drauf; motivier mich mal schön, lieber Chef …«

Menschen haben immer gearbeitet, nicht weil es angenehm war, sondern weil sie mussten oder weil sie es für ihre Pflicht hielten. Diese Notwendigkeiten sind heute auch in den entwickelten Ländern noch nicht ganz verschwunden, wohl aber geringer geworden und manche werden in erheblichem Umfange durch die Sozialsysteme ersetzt. Das ist zu begrüßen. Doch damit sind auch Pflicht und Pflichtbewusstsein zurückgegangen. Man darf fast sicher sein, als ewiggestrig abgetan zu werden, wenn man über die  Motivation hinaus auch an Pflichterfüllung appelliert.